Experiment Zeitumstellung

Zweimal im Jahr werden die Uhren umgestellt. Im Frühjahr geht es eine Stunde nach vorn. Im Herbst dann wieder eine Stunde zurück.

In diesem Beitrag schreibe ich darüber,

  • warum es die Zeitumstellung überhaupt gibt
  • warum ich mich seit 2013 mit diesem Thema befasse und
  • was sich für mich daraus entwickelt hat.

Ich bin keine Frühaufsteherin. Wenn ich meinen Tag langsamer beginnen kann, fühle ich mich wesentlich wohler. Außerdem bin ich hochsensibel. Das heißt, dass ich Reize intensiver als viele andere Menschen aufnehme. Zum Ausgleich – zum Integrieren und Verdauen – brauche ich mehr ruhige Zeiten. Die Zeitumstellung ist ein Reiz von außen. Er wirkt sich stark auf mein Wohlbefinden aus. Mehrere Wochen dauert es, bis sich der neue Rhythmus jeweils wieder normal und vertraut anfühlt. Nicht immer erlaubt der persönliche oder berufliche Rahmen einen flexiblen Umgang mit der vorgegebenen Zeit.

Zeitumstellung und Demokratie

Bei „Demokratie“ denken viele Menschen erst einmal nur an Wählen. Manchmal kommt dazu noch die Überzeugung, beim Wählen ginge es darum, sich für das geringere Übel zu entscheiden. In meinen jungen Jahren dachte ich auch so. Ich kannte ich es nicht anders. Noch nicht. Denn das hat sich inzwischen um 180 Grad gewendet. Wie kam es dazu? Das hat sehr viel mit dem Thema Zeitumstellung zu tun.

Etliche Jahre lang hatte ich mehr oder weniger still gelitten, wenn die Uhren wieder umgestellt werden mussten. Gejammert und geschimpft hatte ich nur in meinem engeren Umfeld. Innerlich wuchs allerdings mein Unmut immer mehr. 2013 wurde mir klar:

Diese Zeitumstellung nimmt mir eine gute Portion an Energie und Lebensqualität. Zweimal im Jahr greift jemand in meinen Biorhyrhmus ein. Und ich werde nicht einmal gefragt. Damit bin ich nicht mehr einverstanden. Ich will nicht mehr nur jammern oder schimpfen. Ich werde aktiv, um das zu ändern, was mich so sehr stört.“

Glücklicherweise leben wir in einer Demokratie. So gibt es verschiedene Wege, Themen auf die politische Agenda zu bringen.

Ein spontaner Entschluss mit Folgen

Für meinen ersten Schritt in die direkte Demokratie brauchte ich Unterstützung. Eine bestimmte kleine Partei brachte ich am meisten damit in Verbindung. Deshalb wandte ich mich an deren Ortsverband. Ich bat um Informationen, wie ich mein Anliegen umsetzen könnte. Umgehend bekam ich, was ich brauchte: Gerade liefen zwei passende Petitionen. Wenige Tage später hatte ich sie unterschrieben. Einige Monate darauf bedankte ich mich auf besondere Weise bei der Partei, die mir den Start so leicht gemacht hatte: Bei der Stadtrats-Wahl kandidierte ich als Nichtmitglied auf ihrer Liste. Ich bekam einen der letzten Listenplätze. In den Stadtrat gewählt wurde ich nicht. Aber mit meiner Stimmenanzahl ergatterte ich immerhin eine mittleren Rang.

Dieser erste Schritt entwickelte sich zu einem Ausflug in die Parteipolitik für einige Jahre. Allmählich wuchs in mir dabei allerdings die Erkenntnis, dass das nicht wirklich mein Ding ist. Für mein Empfinden floss im Verhältnis zu viel Energie in (Wahl-)Kämpfe gegeneinander. Gemeinsames Ringen – über Parteigrenzen hinweg – um möglichst hochwertige, tragfähige Lösungen bekam vergleichsweise wenig Raum. So nahm ich es wahr. Das erinnerte mich sehr an sportliche Wettkämpfe. Ich begann zu hinterfragen: Wird damit wirklich das volle Potential der Demokratie gelebt?

Mein Ding: Demokratieentwicklung

In dieser Zeit lernte ich auch die partei- und mandatsunabhängige Demokratiearbeit kennen. Es ging darum, das System Demokratie zu betrachten, aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren und sich für entsprechende Veränderungen und Erweiterungen des Systems einzusetzen statt für inhaltliche politische Themen. Das interessierte mich. Ich konnte dabei auch gut an meinen früheren Beruf als Softwareentwicklerin anknüpfen. In den ersten 10 Jahren meiner beruflichen Laufbahn hatte ich überwiegend Großprojekte mitentwickelt. Von daher war ich es gewohnt, in größeren Zusammenhänge zu denken.

Im Herbst 2019, vor der darauffolgenden Kommunalwahl, habe ich mich dann konsequenterweise aus dem parteipolitischen Engagement ganz zurück gezogen. Seitdem widme ich mich intensiv der Weiterentwicklung unserer Demokratie. Mittlerweile tue ich das sogar beruflich. Gewissermaßen ist also das Thema Zeitumstellung daran „schuld“. Wenn ich mich rückblickend daran erinnere, muss ich schmunzeln.

Eine überaschende Erkenntnis

Ich bereitete mich auf einen demokratischen Abend zu diesem Thema vor. Dafür suchte ich auch nach Informationen zur Geschichte der Zeitumstellung. Was ich bei meiner Recherche fand, überraschte mich: Seit 1893 gibt es die MEZ (Mitteleuropäische Zeit). Die erste Zeitumstellung wurde 1916 eingeführt als MESZ (Mitteleuropäische Sommerzeit). Anlass dafür war der 1. Weltkrieg. Die Arbeitskräfte waren knapp. Vor allem für Tätigkeiten in der Landwirtschaft sollten im Sommer längere tägliche Arbeitszeiten möglich werden. Um die Dauer des Tageslichts bestmöglich auszunutzen, wurde die Sommerzeit eingeführt. Bei dieser Regelung blieb es vier Jahre lang, bis 1919.

Während des 2. Weltkrieges wurde 1940 wieder zu diesem Instrument gegriffen. Erneut galt die mitteleuropäische Sommerzeit. So bleib es bis 1949. Genauer gesagt bis 1946. Denn im Jahr 1947 wurde noch eins draufgesetzt: Im Frühjahr wurden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Im Sommer kam eine weitere Stunde dazu. Die neue Mitteleuropäische Hochsommer-Zeit (MEHSZ) gab den Takt an. Im Spätsommer und im Herbst wurden die Uhren dann wieder in zwei Schritten zurück gestellt bis zur „Normalzeit“ (MEZ).

Die Ausnahme wird zur Regel

Das Thema Zeitumstellung steht also stark im Zusammenhang mit Kriegen. Diese Erkenntnis hat mich sehr erstaunt.

Im Jahr 2022 stellen wir die Uhren noch immer um. Von 1950 bis 1979 hatte es keine Zeitumstellung mehr gegeben. Im Jahr 1980 wurde sie wieder eingeführt. Der Anlass für diesen Schritt war die Öl-(Preis-)Krise von 1973. Dahinter stand die Hoffnung, auf diese Weise Energie sparen zu können.

Diese Hoffnung hat sich erwiesenermaßen nicht erfüllt. Dennoch müssen wir inzwischen schon seit über 40 Jahren die Uhren umstellen. So lange wie nie zuvor.

Die Petitionen haben ihr Ziel noch nicht erreicht. Fast hätten sie es geschafft: Nach einem Beschluss des EU-Parlaments von 2019 hätte die Zeitumstellung nach dem Jahr 2021 eigentlich Geschichte sein sollen. Doch dann kam Corona. Damit rückten ganz neue Themen auf die vorderen Plätze der politischen Agenda. Das von vielen Menschen herbeigesehnte Ende der turnusmäßigen Umstellung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Die Reise geht weiter

Meine „Forschungsreise“ mit diesem Thema wird weiter gehen. Was ich dabei noch herausgefunden habe und wohin die Reise mich führt, darüber werde ich in einem anderen Artikel schreiben.

Je mehr ich mich damit befasse, desto mehr fasziniert mich dieses Thema Zeitumstellung. Es tauchen dabei Fragen auf, die mich sehr interessieren. Beim Schreiben der letzten Zeilen begann ich mich zu fragen: Warum wurde die Zeitumstellung früher nur für wenige Jahre beibehalten und diesmal nun schon für Jahrzehnte?

Fortsetzung folgt…