Die Schleife zum gemeinsamen O.k.

Manche Diskussionen dauern gefühlt eeewig und drehen sich im Kreis. Andere werden kurzerhand durch ein Machtwort beendet: „Genug geredet – SO machen wir das jetzt.“ Ich selbst erlebe oft Entscheidungsprozesse, bei denen für mich (zu) viel offen bleibt. Der größere Zusammenhang wird nicht gesehen. Informationen fehlen. Betroffene werden nicht einbezogen und wichtige Aspekte werden nicht bedacht. Für leise Einwände ist keine Zeit. Nach der Entscheidung – wie auch immer sie getroffen wurde – erst recht nicht mehr.

Der Ganzheit zuliebe

Viele Menschen mögen damit zufrieden sein oder sich damit arrangiert haben. Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und mir ist Ganzheit wichtig. Zusätzlich bin ich überzeugt, dass Zeit, die man in gute Entscheidungsprozesse investiert, sich am Ende mehrfach auszahlt. Denn wie oft wird umsonst gearbeitet, weil sich etwas ereignet, das eigentlich von vornherein absehbar war, aber nur von Leisen und Nachdenklichen gesehen wurde? In der entscheidenden Phase bekamen sie keinen Raum. Vielleicht wurden sie noch gehört, aber nicht wirklich ernst genommen.

Wie motiviert machen sich Menschen an die Arbeit, deren berechtigte Einwände einfach übergangen werden? So manche innere Kündigung dürfte die Folge von solchen Erfahrungen sein. ganz zu schweigen von den Entscheidungen in unserer Demokratie, wo allzu oft weder verschiedene Expertensichten integriert werden noch die Erfahrung von Betroffenen einfließt. Betroffen, weil sie die Entscheidung umsetzen müssen. Oder weil sie am Ende selber mit dem Ergebnis leben müssen.

Kollektive Intelligenz: gemeinsam schlauer

Das macht für mich eine gute Entscheidung aus:

  • Viele Blickwinkel werden einbezogen.
    Auch Betroffene werden beteiligt.
  • Eine klare, gute Frage.
    Sie „zieht“, weckt Interesse und lädt zum Mitdenken ein.
  • Es gibt einen gewissen Spielraum.
    Oder die Bereitschaft, diesen zu schaffen.
  • Kollektive Intelligenz.
    Die Erfahrung, gemeinsam schlauer zu sein. Nicht erst hinterher.
  • Danach: Zufriedenheit in der Gruppe.
    Beteiligte sind höchstens „aushaltbar unzufrieden“.

Ich verwende dafür einen paradoxen Ansatz:

  • Unzufrieden zur Zufriedenheit.
    Widerstände und Einwände sind herzlich willkommen. Gute Ergebnisse fallen dabei am Ende wie reife Früchte vom Baum.
  • Wertfrei zu Werten.
    Jede Idee ist willkommen. Fruchtbarer Boden für wertvolle Lösungen.
  • Entschleunigt zur Effizienz.
    Die Handbremse vollständig lösen, erst dann Gas geben.

Mein Vorbild dafür ist das „Systemische Konsensieren“ von Siegfried Schrotta und Erich Visotschnig.

Entscheiden wie unter Freunden

Ein einfaches Beispiel: Vier Freunde möchten Essen gehen. Drei (=absolute Mehrheit) möchten gern Pizza essen. Der vierte (=Minderheit) verträgt kein Gluten (=schwerer Einwand). Natürlich suchen die Freunde nach einer Lösung, die allen schmeckt und wo es allen gut geht. Es kommen noch drei Vorschläge, gegen die es mittlere Einwände gibt (zu laut, war letzte Woche schon da,…). Schließlich kommt noch ein Vorschlag, bei dem alle gut mitgehen können.

Was lernen wir daraus? Der Mehrheitsentscheid (3:1) macht es schwer, Freunde zu bleiben. Das geht besser.

Warum ich das „Schleife“ oder „Looping“ nenne: Die Frage wird auf den Kopf gestellt. Es geht erst einmal nicht mehr um „Wo willst du hin?“, sondern um „Wo willst du NICHT hin?“ und „Wie sehr nicht?“

Einwände werden gehört. Inspiriert und ermutigt von den Einwänden, tauchen neue Ideen auf. Schritt für Schritt kommt die Gruppe gemeinsam einer guten Lösung näher, die am Anfang noch nicht da war. Sobald die „gute Lösung“ da ist (= keine wesentlichen Einwände mehr), ist das Looping beendet und die Gruppe gemeinsam am Ziel.

Einwände waren willkommen. Alle wollten, dass es allen mit dem Ergebnis gut geht. Freunde eben.

…auch im großen Stil?

Entscheiden wie unter Freunden, das funktioniert auch in größeren und großen Gruppen und mit komplexeren Themen. Meine Empfehlung: Mit kleineren Themen üben, dann anspruchsvollere angehen.

Mein großer Traum ist, auch in unserer Demokratie zu entscheiden wie unter Freunden. Entscheidungen, die Frieden stiften. Wie wäre das?

Mehr über meine Arbeit hier: https://www.co-intelligent.de/

Vielleicht mal ausprobieren? Gern mit meiner Unterstützung.