Upcycling ist ARBEIT

Mein kleines Upcycling-Werk ist vollbracht. Jetzt hängt bei mir im Arbeitszimmer ein schöner Lichtschutz-Vorhang – und hat dank einer gelungenen Ergänzung nun auch die richtige Länge. Die Geschichte, wie es dazu kam, mag ich von Anfang an erzählen, Schritt für Schritt zum Nachvollziehen.

Ich bin selbständig und habe in dem Haus, in dem ich wohne, ein Arbeitszimmer. An sich ist es ausgestattet mit allem, was ich brauche. Aber manchmal fällt mir etwas auf, was eine Veränderung braucht. Weil es nicht mehr aktuell ist. Oder weil etwas seine Funktion noch nicht ganz so erfüllt, wie es sollte.

Zum Sichtschutz ein Lichtschutz

Dieses Zimmer hat zwei Fenster. Eines zur Straße hin, nach Norden, und eines auf der Seite der Garagen Einfahrt, nach Osten. Wegen des benachbarten Hauses scheint die Sonne meistens nicht direkt hinein durch dieses Ostfenster. Eine Plissee-Scheibengardine sorgt schon lange für die nötige Privatsphäre und schützt gegen direktes Blenden, aber lässt doch noch sehr viel Licht durch. Zu viel Licht für die Online-Meetings, für die ich oft an meinem Schreibtisch sitze. Das Fenster ist aus Sicht meines Gegenübers im Meeting gesehen rechts im Bild und sorgt für ungünstiges Gegenlicht.

Vor einiger Zeit habe ich mir deshalb einen lichtdichten Vorhang für dieses Fenster gekauft. Mit einem schönen Design in blau-grünen Farben, die wunderbar in mein Arbeitszimmer passen und mir sehr gefallen. Etwas war mir beim Bestellen nicht aufgefallen: Für mein Fenster waren die beiden bestellten Schals fast 10 cm zu kurz.

Von meinem schon lange verstorbener Vater hatte ich oft den Satz gehört: „Was nicht passt, wird passend gemacht.“ Dabei hatte ich nicht nur gelernt, darauf zu vertrauen, dass es für viele Situationen eine passende Lösung gibt. Ich hatte mir auch eine kreative Haltung angeeignet und Freude daran, Ideen umzusetzen. Auch wenn es nicht gleich beim ersten Mal funktioniert. So lernt man Durchhalten, Dranbleiben. Und geduldig mit sich selber zu sein – oder zu werden, wenn etwas mehrere Anläufe und die entsprechende Zeit braucht.

Es passend machen

Nun hatte ich also schon einige Versuche hinter mir. Manche habe ich schon im Ideenstadium wieder verworfen. Andere hatte ich ausprobiert, aber sie hatten mir nicht wirklich gefallen. Eine Idee funktionierte immerhin als Übergangslösung. Da hatte ich zwischen die Vorhangringe und die Vorhanghaken zusätzliche Haken mit kleinen Klämmerchen gesetzt und damit zumindest einige Zentimeter gewonnen. Aber richtig gut sah das noch nicht aus – weder oben bei den Haken, noch unten beim Fensterbrett.

Allmählich war die Idee aufgetaucht, Schlaufen zu nähen. Wieder brauchte es einige Schritte, bis ich eine Variante für die Umsetzung fand, die mir gut gefiel. Die Lösung sollte wenig bis gar kein Geld kosten und wirklich passen. Nachdem ich schon einige Möglichkeiten, die ich im Haus hatte, verworfen hatte, kam ich endlich auf die Lösung, die alle meine Ansprüche erfüllte. Mein Lieblings-Seidenschal hatte schon etliche Risse und ganz unverhofft fand ich auf einem Flohmarkt einen gleichwertigen Ersatz. So war ich dann offen dafür, mich von dem guten alten Stück mit seinen Rissen und dünnen Stellen endlich zu trennen. Da fiel mir auf, wie perfekt die Farbe zu meinen neuen Vorhängen passt. Nach einigen Überlegungen, in welcher Form ich dieses Stück Stoff am besten für den gewünschten Zweck verarbeiten könnte, war eine Lösung gefunden und die Umsetzung nicht mehr schwer. Ich schnitt den Stoff in Streifen. Dabei sparte ich die ganz kaputten Stellen aus. Jeden Streifen faltete ich so, dass ich mit einer Naht sowohl die Schnittkanten vor Ausfransen schützen als auch den Streifen in der Form eines schmalen Bandes fixieren konnte. So gefaltet und genäht, machen auch die dünnen Stellen nichts mehr aus. Die Bänder habe ich schließlich durch die Vorhangschlaufen und durch die Ringe gefädelt und mit einer Schleife gebunden. 16 Bänder für 16 Ringe. Und jeweils noch ein längeres ohne Ring, das die Ränder der Vorhänge auf der jeweiligen Seite fixiert.

Gespräche nähren den kreativen Prozess

Insgesamt hat es einige Wochen gedauert, von der Anschaffung der Vorhänge bis zur Umsetzung der jetzigen Lösung, die mir wirklich gut gefällt. Aber schließlich ist das ja ein ARBEITSzimmer. Und ich verstehe meine Arbeit als Kunst. Da ist der kreative Prozess einschließlich seiner Dauer sowieso fern von jedem Bewertungsmaßstab. Wie für mich typisch, sind auch in diesem Prozess entscheidende Schritte in Gesprächen entstanden:

  • Erzählen, was gerade ist.
  • Anregungen hören.
  • Wirken lassen. Ist das wirklich meins? Entspricht es mir – oder ist es „nur“ eine fremde Idee?
  • Was ist mir wichtig?

Der kreative, innere Prozess war für mich besonders wertvoll. Entsprechend achtsam bin ich damit umgegangen. Habe ihn gehütet wie einen ganz persönlichen Schatz. Daran werde ich denken, wenn ich – von außen betrachtet scheinbar ganz banal – künftig den Vorhang ein Stück zuziehe oder öffne. Ich freue mich schon auf die nächsten Meetings, Die ersten Male werde ich ganz besonders genießen.