Demokratie – im Schaufenster?!

Ende 2023 begann in Moosburg eine besondere Veranstaltungsreihe: Ein Dialogprozess zum Thema Lebendige Innenstadt. Kooperation und Kreativität fördernde Formate wie Design Thinking und World Café bildeten den Rahmen für diese Gespräche, was sich als sehr unterstützend erwies, um gute, effektive Gespräche über mitgebrachte Ideen zu führen, sie weiterzuentwickeln oder ganz Neues zu kreieren. Angesprochen waren alle Interessierten, die für einen konstruktiven Dialog offen waren, wie Geschäftsleute, politisch Aktive und Bürger:innen. Initiiert hatte diese Veranstaltungsreihe der Ortsverband der Grünen. Der unparteiliche, junge Verein FRESH mit zwei Sitzen im Moosburger Stadtrat hatte sich sofort angeschlossen. Vom ersten Treffen an konnten mehr als 30 Teilnehmende gewonnen werden. Man konnte die Abende einzeln besuchen. Zu Beginn des Abends wurden die Anwesenden jeweils über den aktuellen Stand informiert.

Raum für einen Denkanstoß gesucht

Beim zweiten Treffen nutzte ich die Gelegenheit, eine Idee, die ich schon einige Zeit in mir getragen hatte, zum ersten Mal öffentlich auszusprechen. Ich wollte das Thema Demokratie gern einmal in ein Moosburger Schaufenster bringen. Es waren nur noch wenige Monate bis zur Europawahl und auf den Straßen hatten Millionen Menschen für Demokratie demonstriert. Viele dieser Demonstrationen hatten ein „Gegen…“-Motto formuliert. Ich hatte eine andere Intention. Ich wollte mit einem ganz einfachen Design und parteiunabhängig einen kleinen Denkanstoß im Vorbeigehen geben. Die Kernaussage sollte sein: Die Demokratie auf der kommunalen, nationalen und EU-Ebene hängen zusammen. Die EU-Ebene hat mit uns zu tun, auch wenn lokale und regionale Ebene für uns in der Regel viel greifbarer sind. Auch wollte ich ein passendes, einladendes Zitat in das kleine Arrangement mit aufnehmen.

Ich hatte die Vorstellung, in einer Art Spirale die Verbindung von Moosburg, Deutschland und EU abzubilden, zusammen mit dem Zitat und einigen Sprechblasen mit Fragen, die schon während der ersten Gespräche dazu aufgetaucht waren. Fragen wie: „Wer schaut da überhaupt hin?“, „Was soll das bringen?“ oder „Ziehe ich damit vielleicht Menschen an, die dem nicht wohlgesonnen sind?“ Leise ahnte ich, dass das Projekt sich während der Umsetzung noch verändern würde.

Wunschlösung: Schaufenster im Rathaus

Als ich meine Projektidee beim Beteiligungstreffen vorstellte, fanden sich tatsächlich zwei Menschen, die mit mir darüber sprechen wollten. Eine Frau, die ich noch nicht kannte, wollte nur ein bisschen zuhören, denn es zog sie zu einem anderen Tisch, um an ihrem Herzensanliegen zu arbeiten. Eine andere Frau, die ich schon sehr lange kenne, hatte tatsächlich Interesse, gemeinsam mit mir aktiv an dem Thema dranzubleiben. „Es muss leicht gehen und darf nicht viel Arbeit machen“, darüber waren wir uns einig. Ich war froh, eine Gleichgesinnte gefunden zu haben, um Möglichkeiten zur Umsetzung zu erkunden und zu besprechen.

Bei der Frage nach einem passenden Ort fiel uns zuerst das Rathaus ein. Die Gewerberäume in dessen Erdgeschoss standen zur Zeit leer, weil sie umgebaut werden sollten. Mein Projekt im Rathaus-Schaufenster? Das schien nun wirklich eine ganz besondere Gelegenheit zu sein. Unser Erster Bürgermeister war anwesend und stand für Fragen zur Verfügung. Er zeigte sich recht offen für die Idee und bat mich, mit der Geschäftsleitung zu klären, ob tatsächlich noch ein entsprechendes Zeitfenster zur Verfügung stünde. Ich dachte an etwa vier Wochen, irgendwann vor der Europawahl. Auch die Geschäftsleitung erwies sich als offen für die Idee und hörte interessiert zu. Sie bat um etwas Zeit, um mit den Verantwortlichen für die Sanierung sprechen zu können. Leider stellte sich heraus, dass die Bauarbeiten jederzeit beginnen könnten und das Projekt deshalb dort nicht seinen Platz finden konnte.

Die Suche geht weiter

In den folgenden Wochen erwies sich als gar nicht so einfach, ein Schaufenster zu finden. Es sollte genügend Publikumsverkehr gegeben sein und die Form musste passen. Sprossenfenster hielt ich zum Beispiel für ungeeignet. Schaukästen in eher versteckter Lage schieden aus. Ich traf mich noch einmal mit meiner Gleichgesinnten und erkundete geeignete Orte in der Innenstadt. Nach diesem Stadtspaziergang klinkte meine Gefährtin sich aus, um ihren geplanten Urlaub anzutreten. So setzte ich die letzte Etappe bis zum nächsten Beteiligungsabend alleine um und führte die nötigen Gespräche.

Ein leerstehender Laden hatte bereits einen neuen Mieter gefunden. Einem Einzelhändler gefiel die Idee sehr gut. Allerdings hatte er Bedenken, eine solche Aktion könnte die Aufmerksamkeit von Demokratie-Feinden auf seinen Laden richten, und entschied sich schließlich dagegen. Die Eigentümerin eines Schaukastens hatte schon einige Erfahrungen mit Vandalismus gemacht. Sie war durchaus interessiert an der Idee, wollte den Schaukasten aber nur für ein langfristiges Mietverhältnis zur Verfügung stellen aufgrund der zu erwartenden Kosten für Reparaturen. Das schied für mich in dem Fall aus. In die Idee wollte ich zwar Zeit und Herzblut investieren, aber kein Geld.

Die Idee bekommt eine neue Form

Die Zeichnung, die ich hier als Coverbild verwende, habe ich übrigens erst beim Schreiben dieses Artikels erstellt. In den ersten Gesprächen, die teils persönlich, teils am Telefon stattfanden, hatte ich meine Idee nur mündlich beschrieben. Eines Tages hatte ich dann das Gefühl, etwas Greifbares zu brauchen. Zunächst war ich unentschlossen, wie ich das Vorhaben technisch umsetzen wollte. Eine Zeichnung? Eine Collage? Ein Arrangement, zusammengestellt erst im Schaufenster aus mehreren Elementen? Ich setzte mich an mein Layout-Programm und begann ein bisschen damit zu spielen. Schaute mich bei den Vorlagen um und schlug schließlich eine minimalistische Richtung ein. Was dabei herauskam, überraschte mich selbst völlig. Den Entwurf druckte ich zunächst auf einem einfachen Recyclingpapier in DIN A4 aus.

So ausgestattet, steuerte ich mir nun als letzte Station noch die örtliche Buchhandlung an. Ich war mir sicher, dort an der richtigen Adresse zu sein. Doch ich hatte mich getäuscht. Weder konnte die Händlerin sich mit dem Design anfreunden, noch mit der Botschaft. Ich hatte inzwischen statt eines Zitats eine eigene Botschaft formuliert. Denn plötzlich war mir klar geworden: Ich möchte nicht nur jemanden zitieren – ich möchte selber etwas zum Ausdruck bringen.

Das eigentliche Werk entsteht: Dialog-Kunst

Beim folgenden Beteiligungsabend erlebte ich schließlich eine unerfreuliche Überraschung: Ich wollte die Erfahrungen mit meiner kleinen Projektidee kurz schildern. Doch mir wurde keine Redezeit gewährt. Andere Projektideen wie anzuschaffende Sitzbänke oder Spielgeräte hatten ihren Platz in einer vorbereiteten Powerpoint-Präsentation gefunden. Die Hälfte des Abends verbrachte ich mehr oder weniger damit, diese Erfahrung zu verdauen. Die zweite Hälfte brachte eine völlig unverhoffte Lösung für meine unglückliche Situation. Ich wurde zu einem noch zu gründenden „Stammtisch“ für Kunst- und Kulturschaffende eingeladen. Dabei steht „Stammtisch“ für etwas Größeres, noch gemeinsam zu entwickelndes. Genau mein Ding.

Bin ich eine Künstlerin? Ja, ich bin eine Künstlerin. Künstlerin im Sinne von Joseph Beuys. Das Kunstwerk ist eine Soziale Plastik.

Die Buchhändlerin hatte meine leise Vermutung bestätigt, dass das eigentliche Projekt die Gespräche sind, und dass es keinen Sinn ergibt, nur das Plakat in ein Schaufenster zu hängen: „Das funktioniert nicht ohne Sie!“ Für mich selbst war aus dem Projekt auf diese Weise inzwischen noch viel mehr geworden: Mein Coming-Out als Künstlerin.

Nachtrag: Inzwischen habe ich mit einer weiteren Händlerin gesprochen. Sie meinte, sie könne das Thema nicht in ihr Schaufenster aufnehmen, denn sonst würde sie von den Menschen in ihrem Laden darauf angesprochen, die darüber sprechen wollten. Und das könne sie während der Verkaufszeit nicht zusätzlich leisten. So kamen wir gemeinsam zu dem Fazit, dass das Thema Demokratie einen eigenen Raum braucht, wo es für sich stehen kann und gleichzeitig Gespräche möglich sind, die sich aus den Impulsen im Schaufenster ergeben.

In diesem und in einem weiteren Gespräch fielen auch Aussagen wie „Die Demokratie ist abgewirtschaftet“ und „Sehe ich anders – sie ist in einer Krise“.

Umso mehr bin ich nun gespannt, welche Möglichkeiten sich in der nächsten Zeit auftun – im Kleinen wie im Großen.

Fortsetzung folgt.