Oder: Kann man Demokratie upcyceln?
Für die Herbstausstellung der Altstadtförderer Moosburg entstand ein großformatiges Upcycling-Werk, zu dem ich hier einige Hintergründe beschreiben möchte.
Die Wertstoff-Rettungsaktion
Die materielle Basis dieses Werkes – im weiteren Text werde ich es „Werkstoff“ nennen – habe ich Ende Juni ’25 vor dem Müllcontainer gerettet. Einige Buchstaben auf dem Bild leuchteten geradezu an. In meinem Kopf entstand daraus das Wort „Demokratie“. Obwohl sehr unhandlich und der Transport nicht so leicht zu organisieren, musste es einfach mit.
Buchstabensalat
Der hölzerne Buchstabensalat faszinierte mich von Anfang an. Dass es da gar nicht alle Buchstaben gab, sondern nur eine ganz bestimmte Auswahl, war mir zunächst nicht aufgefallen. Die Auswahl hatte einen ganz bestimmten Grund. Mein Werkstoff stammte aus dem Verwaltungsgebäude einer großen Münchner Brauerei. Ich weiß nicht, wie viele Jahre oder eher Jahrzehnte er dort im Keller eingelagert war, bevor er schließlich für seinen letzten Weg – zum Müllcontainer – noch einmal hervorgeholt wurde. Wäre ich nicht genau in diesem Moment direkt an diesem Ort gewesen, hätte ihn von da an niemand mehr gesehen. Mir ist nicht bekannt, für welchen Anlass er ursprünglich gebaut worden war. Vielleicht für einen Messestand oder als Wanddekoration im Foyer? Jedenfalls entstand das Stück durch solide Handarbeit, das ist klar zu erkennen. Und dafür hergestellt wurden nur die Buchstaben, die für den sehr bekannten Werbespruch dieser ebenso bekannten Münchner Brauerei gebraucht werden. Er beginnt mit „Lass“ und und endet mit dem Namen der Brauerei, gleichlautend mit einem Gartenwerkzeug, das üblicherweise zum Graben verwendet wird.

Aus diesem rot-grünen Salat sollte nun also ein Kunstwerk entstehen. Die Frage, wie ich ohne die Buchstaben „m“ und „o“ das Wort „Demokratie“ bilden könnte, verschob ich auf später. Erst einmal musste der Werbespruch weichen. Nach einigem Hin- und Herwenden beschloss ich, das Motiv um 180 Grad zu drehen und keine Buchstaben nachzubauen oder zu kaufen, denn in einer Demokratie ist das Prinzip der beschränkten Auswahl, die trotzdem den vollen Sinn ergeben soll, ja durchaus üblich.
Die Kunst der Demokratie
Demokratie ist für mich eine Kunstform: Die Kunst, Gesellschaft gemeinsam zu gestalten – als Soziale Plastik, in Anlehnung an den Prozesskünstler Joseph Beuys. So ist jeder Mensch eingeladen, sich an diesem Gestaltungsprozess zu beteiligen. Als Symbol dafür brachte ich mit schwarzem Tafellack Streifen an, die bei passenden Gelegenheiten mit Kreide beschrieben oder bemalt werden können.
Der Titel „Spiel“ war schnell gefunden. Es gibt Gewinner und Verlierer, und es gibt klare Regeln. Es gibt zwar Grenzen, doch werden diese in und wieder neu ausgetestet und manchmal verschoben. Und vor allem muss ich mich manchmal fragen, wie ernst es bestimmte Protagonisten mit ihrem selbstlosen Dienst wirklich meinen, oder ob – teils sogar öffentlich bekannt – im Hintergrund nicht noch ganz andere Spielzüge am Laufen sind. Ich erinnerte mich, wie unbekümmert mancher Spitzenpolitiker mit großen Geldbeträgen umging. Oder wie an anderer Stelle Warnungen und fachlich fundierte Ratschläge einfach übergangen wurden. Zugunsten der eigenen Taschen oder anderer persönlicher Vorteile riskierten sie dabei leichtfertig, dem Gemeinwohl Schaden zuzufügen, und das nicht nur in finanzieller Hinsicht. So erschien mir „riskant“ als durchaus geeignet als Titel für das Upcycling-Werk.
Sprung zu Gold
Der Werkstoff hatte, teils von der langen Lagerung, teils vom Transport, jede Menge Dellen und Schrammen abbekommen. Die Farbe Gold gehört zu unserer Demokratie. Ich ließ mich auch von Kintzugi, der japanischen Kunst des Vergoldens von Rissen und Sprüngen inspirieren, die uns bewusst machen will, wie sehr die Schrammen und Narben, die wir in unserem Leben abbekommen, uns ausmachen und es erst wirklich wertvoll machen. So wurden also alle schadhaften Stellen, die ich entdeckte, kurzerhand vergoldet.

ALLE sind gemeint
Schließlich fand noch ein Element, das mir besonders wichtig ist, seinen Platz auf dem Bild: Der Kreis. Er ist nur leicht angedeutet, verbinden mit dem Wort „ALLE“. Er steht für Ganzheit.
Es wird noch viel brauchen, bis sich alle zugehörig fühlen zu dem, was wir Demokratie nennen. Und vermutlich weiß noch niemand wirklich, ob und wie das tatsächlich gelingen kann. Aber ich finde, einen Versuch – oder auch viele – ist es wert. Wenn man aus Müll und Schrammen Schönes, Brauchbares oder sogar Wertvolles machen kann, könnte das nicht auch im übertragenen Sinne funktionieren, für große Systeme? Ich denke, dazu müssten in einem ersten Schritt die Prinzipien des Upcycelns und des Kompostierens tiefer verstanden werden.
Und hier ist zu guter Letzt noch das Ergebnis:
